japanische Religionen

japanische Religionen
japanische Religionen,
 
zusammenfassende Bezeichnung für die Gesamtheit japanischer religiöser Traditionen, deren beide Hauptstränge das religiöse Leben Japans und die japanische Kultur bis heute entscheidend prägen: die des Shintō und die im 6. Jahrhundert von Indien über China und Korea nach Japan überlieferte Lehre des Buddhismus, und zwar v. a. des Mahayana-Buddhismus (und seiner Schulen), der durch seine sozialere Ausrichtung in Japan größeren Anklang fand. Bereits in der Heianzeit erreichte er einen Höhepunkt in der von Saichō (* 767, ✝ 822) gegründeten Tendai-Schule und in der von Kūkai (* 774, ✝ 835) gegründeten Shingon-Schule. Der in dieser Zeit entwickelte religiöse Formenreichtum spiegelt sich in der Malerei, Plastik, Literatur und Musik wider. Der Reichtum der Klöster führte zu einem sittlichen Verfall unter dem buddhistischen Klerus. Als Folge verbreitete sich die Lehre von der Endzeit (Mappō) mit der Forderung nach umfassender religiöser Erneuerung. - Die Machtergreifung des Kriegerstandes führte auch im religiösen Bereich zu großen Veränderungen, da die Krieger (Samurai) einen einfachen Weg zur Erlösung, der nicht (wie nach traditioneller Lehre) an menschlicher Anstrengung in zahlreichen Wiedergeburten gebunden ist, suchten. Diesen Weg zeigten nun die Schulen Jōdo-shū und Jōdo-shinshū, die ganz der Gnade des Buddha Amitabha (japanisch Amida) vertrauen, der durch sein Gelübde alle, die an ihn glauben, zu retten versprochen hat. Durch diese Schulen wurde der Buddhismus in Japan zu einer Laienreligion eigener Färbung, die auf der »Gleichheit aller in der Lehre« fußte. - Einen solchen Heilsweg wies auch die von Nichiren (* 1222, ✝ 1282) begründete Schule, der mit seiner national ausgerichteten Lehre die Einheit Japans erstrebte. Heute wird die Lehre Nichirens durch die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts entstandenen Religionsgemeinschaften Nichiren-shōshū und Sōka-gakkai auf der Grundlage religiöser Absolutheitsansprüche vertreten. - Auch die Verbreitung des Zen-Buddhismus (Zen) war mit der gesellschaftlichen Umschichtung jener Zeit eng verbunden. Sowohl Eisai Myōan (* 1141, ✝ 1215), Gründer der Rinzai-Schule, als auch Dōgen Kigen (* 1200, ✝ 1253), Lehrer der Sōtō-Schule, haben die Lehre des Zen in China kennen gelernt. Diese Lehre, die geistige Läuterung und Erleuchtung des Menschen durch Konzentration der Sinne, Meditation, zu erreichen sucht, beeinflusste nachhaltig das geistige und kulturelle Leben wie auch die japanischen Künste (Architektur, Kalligraphie, Malerei, Plastik, Blumen-, Gartenbau- und Teekunst) bis heute. - Shintō und Buddhismus haben sich gegenseitig beeinflusst und sind zuweilen in einem synkretistischen System (Ryōbu-shintō) verschmolzen. - Im 16. Jahrhundert trat zu den beiden alten Traditionssträngen das von den Europäern vermittelte Christentum hinzu. Seit dem 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche, von charismatischen Führern verkündete neue religiöse Bewegungen (Shinkō-shūkyō), deren Glaubensinhalte meist auf eine der oben genannten drei Traditionen zurückgeführt werden können und die durch eine starke Diesseitsbezogenheit gekennzeichnet sind: Durch Bekehrung und Glaubensleben wird den Anhängern Befreiung von Armut und Krankheit versprochen. Zu den bedeutendsten dieser neuen Religionen zählen neben den Nichiren-Gesellschaften Nichiren-shōshū und Sōka-gakkai die Tenrikyō, die Reiyūkai, die Risshō-kōseikai und die 1959 von Kogyoku Ōkada (* 1901, ✝ 1974; nach seinem Berufungserlebnis Kotama [»Lichtkugel«] Ōkada) begründete shintō-buddhistische, auch christliche Anleihen einschließende Bewegung Mahikari (»Licht der Wahrheit«; seit 1974 zwei Zweige mit [1992] insgesamt rd. 900 000 Mitglieder). Daneben bestehen mehrere Hundert kleinere neureligiöse Gemeinschaften. Sie sind staatlich als Religionsgemeinschaften registriert und unterhielten 1992 rd. 16 200 Kultstätten. In diese Gruppe gehört auch die Gemeinschaft Aum-Sekte. - Auch der Taoismus und der Konfuzianismus sind früh von China nach Japan gelangt, haben dessen Kultur zwar stark beeinflusst, weisen aber nur in begrenztem Umfang Merkmale einer Religion auf.
 
 
M. Anesaki: History of Japanese religion (Rutland, Vt., 71972);
 H. B. Earhart: Japanese religion. Unity and diversity (Belmont, Calif., 31982);
 T. Immoos: Ein bunter Teppich. Die Religionen Japans (Neuausg. Graz 1990);
 
Japan-Hb., hg. v. H. Hammitzsch (31990);
 I. Reader: Religion in contemporary Japan (Basinstoke 1991);
 R. Woirgardt: Die neuen Religionen Japans u. ihr Sendungsbewußtsein im Hinblick auf den Weltfrieden (1995);
 U. Dehn: Neue religiöse Bewegungen in Japan, in: Texte der Ev. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (1996).

Universal-Lexikon. 2012.

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